Im Schaufenster

Sozialpädagogik und Kindererziehung

Lebensqualität - Weil wir wissen, was und warum wir es tun!

Was bedeutet «Lebensqualität» in der Betreuungs- und Beziehungsarbeit? Dieses Schaufenster beleuchtet den Begriff und zeigt auf, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Menschen mit Unterstützungsbedarf die grösstmögliche Lebensqualität erhalten können.

Lebensqualität – positiv konnotiert und gleichzeitig kontaminiert

Tippt man den Begriff Lebensqualität bei einer Suchmaschine ein, vervollständigt diese die Anfrage mit Ranking, WHO, Vegan, Schweden, Städte, Faktoren, Reisen, Essen und vielen weiteren in Verbindung stehenden Nomen.

Und damit ist schon ein erster «Lagebestand» aufgenommen: mit Lebensqualität lässt sich heute fast alles anpreisen und positiv konnotieren. Der Begriff scheint jedoch gleichzeitig irgendwie kontaminiert, womit auch der Verlust einer eindeutigen Definition einhergeht. Man findet ihn und seinen «positiven Status Quo» überall, alles bringt oder steigert die Lebensqualität, die richtige Gesichtscreme, das passende Reiseziel und auch die atmungsaktive Outdoor-Jacke und vieles mehr.

Dabei werden uns stets, unglaublich schöne, beruflich überaus erfolgreiche, abenteuerlustige, finanziell potente und unabhängige Menschen vor Augen geführt. Was all diesen Werbe-Inputs eigen ist, ist der Umstand, dass Lebensqualität beinahe ausschliesslich mit Konsum und einer eher kurzen «Halbwertszeit» einher zu gehen scheint. In anderen Worten, wenig nachhaltig und eher kostenintensiv.  

Lebensqualität als zentraler Begriff in Leitbildern und Konzepten

Nun mag man sich fragen wieso so viele Dienstleistungsinstitutionen, so oft auf Lebensqualität setzen in ihren Leitbildern und Konzepten?Die Antwort ist einfach und schlicht: es gibt nichts Besseres und Würdigeres. Und ja, ich meine das genauso wie ich es schreibe.

Die fachliche Betreuungs- und Beziehungsarbeit (ich schliesse hier alle agogischen, pädagogischen, assistierenden, heilpädagogischen pflegerischen, palliativen, sonder-pädagogischen und andere Tätigkeiten mit ein) verfolgt Ziele und richtet diese je nach Disziplin, Klientin und Lebenssituation individuell aus.

Das beinhaltet, dass sich damit eine fortwährende, lebenslange Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen der betreuten oder begleiteten Personen einstellt, welche die professionelle Reflektion herausfordert und vorantreibt. Es ist entgegen einiger anderer zum Selbstzweck degradierten Prozesse, ein sinnvoller Optimierungsprozess, der auf Grund der «ewigen Anpeilung» effektive, nachhaltige und lebensfreundliche Qualitätssteigerungen zulässt. In diesem Sinne muss individuelle Lebensqualität eines jeden Menschen immer Zielperspektive der fachlichen Tätigkeiten sein.                                                                                     

Um dieses Ziel zu erreichen, sind unterschiedliche Voraussetzungen nötig. Zum einen muss Wissen darüber vorhanden sein, wie sich Lebensqualität generiert und zum anderen, welche Faktoren dem einzelnen Menschen wichtig und bedeutsam also lebensqualitätsrelevant und Prioritär sind. Denn es macht wenig Sinn, viel Ressourcen in den Besuch eines Tierparks zu investieren, wenn die Schlagernacht eher nach dem Gusto der betroffenen Person gewesen wäre.

Definition von Lebensqualität

Innerhalb der unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen herrscht heute mehrheitlich Konsens darüber, dass sich Lebensqualität aus Objektiven Lebensbedingungen und einer Subjektiven Bedürfnislage konstruiert, deren Passung durch den Menschen individuell beurteilt wird.

Dienstleistungsinstitutionen und Fachdisziplinen müssen sich auf diesem Hintergrund fragen, wie fähig sie sind Bedingungen und Angebote zu schaffen in denen unterschiedliche Formen von Lebensqualität für den einzelnen Menschen erfahrbar, lernbar und gestaltbar sind. Und welche unterschiedlichen Zugangsbedingungen zu einem guten Leben existieren für die einzelnen Dienstleistungsnutzerinnen und -nutzer?

Das Lebensqualitätskonzept von CURAVIVA Schweiz

In der Lebensqualitätskonzeption von CURAVIVA sind für die vier Bereiche Menschenwürde und Akzeptanz, Entwicklung und Dasein, Funktionalität und Gesundheit sowie Anerkennung und Sicherheit diverse zielgebende Stichworte oder eben Kriterien vermerkt. Beginnt man auf dieser Grundlage die eigenen, erbrachten fachlichen Leistungen und / oder die institutionellen Bedingungen zu reflektieren, wird schnell klar, womit und woran sich das Individuelle (oder die Passung) in der Lebensqualität orientiert und erkennen und messen lässt.

Was tun? Möglichst viele Wahlmöglichkeiten anbieten

Bezieht man sich direkt auf den Menschen, trifft man unmittelbar auf die Autonomiefähigkeit, die Partizipationsbedingungen und die Selbstbestimmung sowie die gesundheitliche Verfassung. Je adäquater, umfassender und zahlreicher die Wahlmöglichkeiten sind, die einer Person angeboten werden, umso besser wird sie die eigene Lebensqualität gestalten, beurteilen und erleben können. Wobei es dabei weder um Erfüllung aller Wünsche noch um ein Leben ohne An- und Herausforderungen oder genereller Unbetroffenheit von Behinderung oder Krankheit geht.

Es geht dabei ganz grundsätzlich um die Möglichkeit, immer wieder für das eigene Leben wählen und entscheiden zu können. Folgen positiv oder negativ, sinnstiftend oder langweilend und als richtig, falsch oder ambivalent etc. zu erleben und diese zu korrigieren oder so zu belassen. Diese Entscheide müssen weder lebensbewegend, weitreichend noch einmalig sein. Manchmal ist es «nur» der Entscheid ob es heute der rote oder gelbe Pulli sein soll. Aber sie müssen etwas mit dem Leben zu tun haben, dass der Mensch unmittelbar lebt und leben möchte.

Damit kann der Mensch sich als Individuum wahrnehmen, sichtbar Prioritäten setzen und den eigenen emotionalen Zustand (glücklich, freudig, entmutigt, erleichtert, etc.) steuern und beeinflussen, sowie die Umgebung (Menüplan, Zimmereinrichtung, TV-Programm, etc.) mitgestalten und mitbestimmen. Daraus formt sich das individuell Bedeutsame und Prioritäre und damit auch Sinn für das eigene Leben und Wohlergehen. Das ist sichtbare Lebensqualität.

Ist diese «Passung» identifiziert, kann das Angebot der fachlichen Leistungen an die Bedürfnisse und Prioritäten des einzelnen Menschen besser angepasst werden. Dies ist insbesondere bei Menschen wichtig, die von sehr schweren Behinderungen betroffen sind und Fachleute oft nur raten können was sich die Person für ihre unmittelbare Situation oder ihr Leben wünscht.

Wobei: Bedürfnisse oder Wünsche können selten substituiert werden. Wer sich nach einer Freundin oder nach einem Freund sehnt, wird mit einem Ausflug in den Zoo nicht auf Freundschaft verzichten und zufrieden sein. Aber wenn bekannt ist, dass sich jemand nach Freundschaft sehnt, wird darüber nachgedacht, wie die Person unterstützt werden kann, einen Freund oder eine Freundin zu finden und Freundschaft zu leben.

Die Würde jedes Daseins: Ein Leben mit hoher Lebensqualität

Lebensqualität darf nicht davon abhängig sein, ob man selbst dafür Verantwortung übernehmen kann. Die Herstellung, der Erhalt und der Ausbau von Lebensqualität ist die Aufgabe und Zielperspektive professionell Tätiger.

Wir sind erst dann mit unseren Angeboten wirklich erfolgreich, wenn es uns gelingt,  für alle «betreuten» Menschen Lebensbedingungen herzustellen, die sie so umfassend und suffizient befähigen, ihre Lebensqualität selbst zu gestalten und beeinflussen, dass wir Fachleute bereit wären mit ihnen zu tauschen!

Denn ein Leben mit hoher Lebensqualität bedeutet, dass man «grundsätzlich» oder mehrheitlich an dem Leben, das man lebt, nichts oder nur wenig verändern möchte. Und genau darin liegt die Würde eines jeden Daseins.

Quellen

Felder, Franziska (2005): Lebensqualität: Zielperspektive für die Sonderpädagogik

Hoyningen Süess, Ursula (2013): Ethik und Behinderung: ein sonderpädagogischer Prozess, SZH Kongress Bern

Liesen, Christian (2016): Notizen und Unterlagen vom Kaderanlass der Stiftung für Schwerbehinderte Luzern

Oberholzer, David (2013): Lebensqualität Menschen mit Behinderung unterstützen und begleiten.


Die UN-BRK: Eine Konvention mit Siegerpotential in jedem Sinne?

Seit bald sechs Jahren hat die Schweiz die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Hat sich dadurch für Menschen mit Behinderungen wirklich etwas verändert? Und wie sieht es in den Institutionen aus?

Ein persönlicher Blick auf das, was mancherorts in der Zwischenzeit passiert ist, mit einem kurzen Spot in die Entstehungsgeschichte, einem Zwischenhalt in der Gegenwart und ein paar Gedanken zu alledem, ist Inhalt von diesem Schaufenster. Dafür habe ich in den letzten vier Monaten immer wieder mit unterschiedlichen Personen das Gespräch gesucht und ihnen erzählt, dass ich im März diesen Artikel schreibe. Alle waren bereit, ihre Erfahrungen anonymisiert mit mir zu teilen.

Gehen wir also zurück zum Anfang der UN-BRK...

Mit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die UN-Generalversammlung in New York (folgend UN-BRK) im Dezember 2006, begann vielerorts eine neue Zeitrechnung.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen (folgend UNO) wurden die Menschenrechte für Menschen mit Behinderung verbindlich festgehalten! Aber nicht nur das war passiert; die UN-BRK entwickelte sich zum «erfolgreichsten Produkt» der UNO und erwies sich gewissermassen als «Klassenprimus» aller Konventionen. Initiantin der UN-BRK war übrigens Mexiko!

Sie war die Erste im neuen Jahrtausend, sie war auch die erfolgreichste: Bereits am ersten Tag der Auslegung zur Signatur wurde sie von über 80 Mitgliedstatten unterzeichnet, (die Schweiz war nicht dabei) und wurde in der Folge von fast allen Mitgliedstaaten der UNO ratifiziert. Zudem: Sie klärte das Verhältnis Menschenrecht und Menschen mit Behinderung endgültig und setzte quasi «alle Menschen an denselben Tisch».

Die Konvention schaffte keine Sonderrechte für Menschen mit Behinderungen, sondern übernahm die Grundrechte der verschiedenen Menschenrechtsinstrumente und übertrug diese auf die besondere Situation von Menschen mit Behinderung, indem sie ihre Umsetzung spezifiziert und konkretisiert. Sie fordert und beschreibt teilweise sogar die Ermöglichungsbedingungen, die ein Staat zu leisten hat (hätte), damit alle Menschen von den allgemein gültigen Menschenrechten «betroffen sein können». Das Menschenbild der Konvention stellt die Autonomie in den Vordergrund. Zum einen als Ziel von Selbstbestimmung und Freiheit, eigene Entscheide treffen zu können, und zum anderen als Wesensmerkmal des Menschen (vgl. Wohlgensinger S.17ff).

Direkte Wirkung der UN-BRK?

Ich habe versucht, der Frage nach der «direkten Wirkung» der UN-BRK auf zwei verschiedenen Wegen nachzugehen. Zum einen habe ich bei Kolleginnen und Kollegen in der «institutionellen Praxis» nachgefragt, zum anderen bei Freundinnen, Freunden und Bekannten, die von einer Behinderung betroffen sind. Beide Gruppen überkreuzen sich nicht.

Rückmeldungen aus der Praxis

Die Gruppe der Kolleginnen und Kollegen beschreibt die Wirkung der UN BRK als primär «kontrollartig-bereichernd». Durch die umfassenden Themenbereiche, die in der UN-BRK aufgelistet werden, könne man alle relevanten Themen in den eigenen Dokumentationen abdecken. Teilweise hat die UN-BRK Einlass in Leitbilder, Konzepte und andere Normpapiere gefunden, andererseits wird sie hin und wieder beigezogen um zu schauen, ob man «alles richtig» macht. An einigen Orten hat man die Mitwirkung und Partizipation der KlientInnen auch ausserhalb von «Bewohnenden- oder KlientInnenräten» ausgeweitet, an anderen Orten hat man die Themen und Bereiche, die man intensiver partizipativ oder wählbar machte, weiter ausgebaut. Drei Kolleginnen und Kollegen berichteten von Informationsveranstaltungen, die sie für die Klientinnen und Klienten durchgeführt hatten. Viel Gewicht schien die UN-BRK im Alltag aber nirgends zu haben, was möglicherweise auch am nächsten Umstand lag.

Gute Grundlagen bereits mit dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

Denn was in allen Gesprächen erwähnt wurde, war der Eindruck, dass das Sozialwesen in der Schweiz, insbesondere mit dem 2013 überarbeiteten Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, über viele gute Grundlagen verfügt, um die UN-BRK umzusetzen, und es lange vorher bereits getan hat respektive immer noch tut. Auch andere Gesetzesgrundlagen wurden erwähnt, wo die UN-BRK nur eine «Verdoppelung» der Inhalte bedeutet. Man berichtete mir auch, dass das Thema UN-BRK selten bis gar nicht von den gesetzlichen Vertretern oder Eltern angesprochen würde, ähnlich wenig wie von den Klientinnen und Klienten, die in den entsprechenden Institutionen leben.

Alltagsthemen beschäftigen

Vielmehr sind es Alltagsthemen, die sie beschäftigen und bei denen oft im «Nachgang» die Nähe zur UN-BRK wahrgenommen wird. Dann sei das Thema aber oft schon «fertig» bearbeitet und man erkenne vor allem, woran die effektive Umsetzung der UN-BRK noch «scheitere» oder wo die besonderen Herausforderungen lägen.

Dabei kamen vor allem zwei Themen zur Sprache: Zum ersten die Situation von Menschen mit eher schweren kognitiven Beeinträchtigungen, deren Wahlfreiheit und Themenbereiche manchmal von Beginn weg schon eingeschränkt sind. Sei es, damit keine Überforderungssituation entsteht, oder auch, damit sie sich und andere nicht gefährden. Also bei Menschen, bei denen die Vermittlung von abstrakten Themen eine besondere Herausforderung darstellt und vieles gar nicht so einfach umsetzbar ist, wie es formuliert wurde. Das zweite, bemerkenswert häufig erwähnte, Thema war das der ökonomischen Rahmenbedingungen der betroffenen Personen selbst, der Institution und / oder der Gesellschaft. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Grad des Unterstützungsbedarfs und der Vielfalt des Wählbaren, respektive den Möglichkeiten, Teil der Gesellschaft zu sein und daran partizipieren zu können. Ein weiterer direkter Zusammenhang, nämlich der von Armut und Behinderung, zeigte sich ebenso deutlich.

Rückmeldungen von Menschen mit Behinderung

Bei der Gruppe der Menschen die von einer Behinderung betroffen sind, gab es zwei sich deutlich abgrenzbare Ergebnisse:

Erstens: Den Personen, die von keiner geistigen Behinderung betroffen sind, war die UN-BRK zwar bekannt. Sie weckte aber kaum Interesse, respektive fast ausschliesslich dann, wenn es darum ging, eigene Ansprüche rechtlich durchzusetzen. Man hatte sich nicht oder nur oberflächlich damit auseinandergesetzt. Der globale Anspruch schien im Alltag wenig griffig. Man berief sich lieber auf bereits bekannte Systeme oder wies auf Selbsthilfegruppen, Interessensvereinigungen oder die Invalidenversicherung resp. Inclusion Handicap hin. Zwar fanden es die betroffenen Menschen wichtig, dass es «so etwas» gibt und auch der Beitritt der Schweiz war unbestritten richtig, aber sich selbst und die eigenen Rechte als «Primat» durch diese Konvention vertreten zu lassen, schien so gar nicht «praktisch» oder persönlich.

Zweitens: Bei den Personen, die von einer geistigen Behinderung betroffen sind, schien die UN-BRK unbekannt, bis der Satz «d’Schwiiz muess luege, dass…» durch einen der Gesprächspartner gefallen war. Daraufhin begannen einige von den Kursen oder Gesprächen zu erzählen, an denen sie teilgenommen hatten und die im Alltag immer mal wieder Anlass für Verhandlungen gaben. Viel Gewicht wurde auf «die Schweiz» als Auftraggeberin gelegt, die dafür sorgte, dass es ihnen als Menschen in der Situation gut gehe. Für die effektive Umsetzung wurden Gruppenleitende und Bezugspersonen als verantwortlich genannt. Und dass sie für «die Schweiz» als Personen auf einmal spürbar wichtig waren, schien eine Erfahrung zu sein, die sie vorher nicht gemacht hatten.

Auf meine Frage, ob sich denn effektiv etwas verändert habe, erhielt ich ganz unterschiedliche Antworten. Eine war «Nei, ich dörf immer nonig Auto fahre», eine andere war «Ja, ich gange jetzt meh go poschte und es isch wichtig, was ich will». Inwieweit diese beiden Antworten sich effektiv oder kausal mit der UN-BRK verbinden lassen, sei dahingestellt. Wichtig erscheint mir, dass der/die Betroffene sich als (selbst-)wirksam oder «veränderungspotent» wahrnimmt.

Mein Fazit: Ich glaube nicht, dass es als betroffene Person primär darum geht, die UN-BRK und ihre Forderungen an den Staat gut zu kennen. Ich bin der Meinung, dass es vielmehr darum geht zu wissen, dass der Staat einem als Person mit allen Rechten, Pflichten und Bedürfnissen wahrgenommen hat und dafür sorgen muss, dass diese Wahrnehmung sich im Alltag überall und für alle erkennen lässt.

Und für uns professionell Tätige ist die UN-BRK Chance und Aufforderung, unsere Arbeit im Hinblick auf Unternehmensstrategien, normative Grundlagen und inhaltliche Ausrichtung immer wieder gründlich zu reflektieren.

«Siegerpotential»?

Wie ist es nun also mit dem «Siegerblick» der UN-BRK: Hat sie ihn wirklich verdient?

Ich glaube ja. Obwohl die «Erhebung» in meinem Freundes- und Arbeitskreis diesen Begriff nicht verdient, zeigt sie doch ein «Produktbild» und einen Zustand, der vielversprechend ist und Mut macht. Aber: Es gilt den eingeschlagenen Weg jetzt konsequent weiter zu verfolgen.

Quellen

Wohlgensinger, Corinne 2014: Behinderung und Menschenrechte: Ein Verhältnis auf dem Prüfstand Budrich UniPress LTD / 978-3-86388-084-2

Felder, Franziska 2012: Inklusion und Gerechtigkeit Campus Verlag / 978-3-39591-3

Selbstbestimmung und Inklusion gelebt: Herausforderung, Chance oder Dilemma für Institutionen?

Inhouse-Weiterbildung und Beratung zur Entwicklung von Ideen und Konzepten, welche eine Umsetzung der UN-BRK unterstützen und vorantreiben.

Kontakt: Rahel Huber, Bildungsbeauftragte Sozialpädagogik,
041 419 01 91 | E-Mail

Sozialpädagogische Fachberatung und Inhouse Weiterbildung


Gut gemeint oder gut gemacht?
Bildungs- und Erziehungspartnerschaften mit Eltern

Am 24. Januar 2020 fand in Zug die erste gemeinsam von CURAVIVA hfk (Höhere Fachschule Kindererziehung) und CURAVIVA Weiterbildung organisierte Tagung für Mitarbeitende in familien- und schulergänzender Betreuung statt.

Rund 100 interessierte Personen aus Deutschschweizer Institutionen der familien- und schulergänzenden Betreuung kamen in Zug zusammen, um zunächst durch zwei Referate in das Tagesthema eingestimmt zu werden.

Frau Prof. Dr. Tanja Betz (Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz) referierte zum Thema: «Zusammenarbeit mit Eltern – Chance oder Modeerscheinung?» und beschäftigte sich zunächst mit den Begriffen «Zusammenarbeit» und «Partnerschaft»: was verstehen einzelne Beteiligte darunter, was gibt es für fachliche Grundlagen und Forschungserkenntnisse? Daran anschliessend zeigte sie verschiedene Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt, welches eine Kooperation der Goethe-Universität Frankfurt am Main & der Bertelsmann Stiftung war, welches sie geleitet hat: «Kinder zwischen Chancen und Barrieren». Im Rahmen des Projektes wurden zwei Teilstudien zur Bildungs- und Erziehungspartnerschaft umgesetzt, die Ergebnisse liegen als zumeist kostenfreie Downloads vor.

Insbesondere die zahlreichen Cartoons zum Thema, welche auch prägender Bestandteil des Vortrages waren, zeigen die verschiedenen Facetten des Themas mit Augenzwinkern gut auf. So waren die verschiedenen Erwartungshaltungen seitens Fachkräften und Eltern ein Thema, die zu möglichen Betrachtungsweisen eines «gemeinsamen» Verständnisses führten, dass das Wohl des Kindes immer im Mittelpunkte stehe.

Das zweite Referat von Daniela Kobelt-Neuhaus (Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie) behandelte «Zusammenarbeit mit Eltern ist kein Selbstläufer – Qualitätsmerkmale der Zusammenarbeit mit Eltern» und nahm als Erstes in der Betrachtung «Eltern» in den Blick: Kinder (und Fachkräfte) können sich die Eltern nicht aussuchen, gleichzeitig gilt als Grundverständnis, dass Eltern immer das Beste für ihr Kind wollen – und dabei völlig unterschiedlich vorgehen.

Erziehungsvorstellungen unterscheiden sich, die Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten und demzufolge stellen sich für Fachkräfte in der Zusammenarbeit unterschiedliche Herausforderungen: Zunächst einmal gilt es festzustellen, wer «Eltern» eigentlich sind und die Vielfältigkeit darin zu entdecken (Fazit: «DIE» Eltern gibt es nicht). Die daran anknüpfende Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes hat entsprechend auch viele Ebenen, die es zu berücksichtigen gilt, diese führte Frau Kobelt-Neuhaus in ihrem Referat vertiefend aus. Leider wurde auch bei ihrem Referat, wie zuvor schon bei Frau Betz, die Zeit knapp, so dass sie nicht alle Aspekte umfassend darstellen konnte.

Nach den Referaten war Zeit für eine Stärkung: Die Zuger Bäuerinnen hatten die Pausenverpflegung bereits vorbereitet.

Frisch verpflegt startete noch am Vormittag die erste Runde mit sechs verschiedenen Ateliers:

Atelier 1: Mit Projekten die Zusammenarbeit in der Kita stärken - Regina Hirtler & Cinzia Müller, Co-Kitaleiterinnen, Zürich

Atelier 2: Hort, Schule und Eltern gemeinsam - Jolanda Nussbaumer, Leiterin Freizeitbetreuung Guthirt und Kurt Weiss, Schulleiter Schulen Guthirt, Zug

Atelier 3: Zusammenarbeit mit Eltern nach dem ressourcen- und sozialraumorientierten Ansatz - Barbara Isenschmid, Kitaleiterin und Ursula Spycher, stellvertretende Kitaleiterin Kita Mattenhof, Zürich

Atelier 4: Die Kompetenz von Eltern stärken – Zusammenarbeit mit Familien aus benachteiligten Verhältnissen - Anke Moors, Co-Geschäftsführerin Verein a:primo, Winterthur

Atelier 5: Gesellschaftlicher Wandel: Neue Eltern, neue Kinder!? - Daniela Kobelt Neuhaus, Vorstand Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie, Bensheim

Atelier 6: Ungleichheitssensible Zusammenarbeit mit Familien - Prof. Dr. Tanja Betz, Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

In den verschiedenen Ateliers erfuhren die Teilnehmenden von der jeweiligen Atelierleitung mehr zum Projekt, diskutierte verschiedene Fragen und tauschten sich aus.

Nach einer Mittagspause, ebenfalls bestens organisiert und vorbereitet von den Zuger Bäuerinnen fand eine zweite Runde Ateliers statt.

Die Tagung schloss am Nachmittag nach drei durch die Tagungsleitungen Thomas Jaun (Schulleiter CURAVIVA hfk) und Melanie Bolz (CURAVIVA Weiterbildung) moderierten Dialogrunden mit Elternvertetungen, Fachkraftvertretungen und Tagungsteilnehmenden mit viel Applaus und Dank an alle, die im Vorfeld, während und auch zum Aufräumen nachher Beteiligten.

Die Feedbackbögen, welche beim Nachhause gehen zurückgegeben wurden, zeigen grosse Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der Veranstaltung auf, so dass es sicher in absehbarer Zeit eine Neuaufnahme zu einem anderen spannenden Thema geben wird.


 

«Mut zum Führungshut!» - NDK Leiten von Teams

Der NDK Leiten von Teams wird seit vielen Jahren erfolgreich angeboten. Er richtet sich an Führungspersonen, die ein kleines oder auch grösseres Team in einer sozialen Institution leiten. Häufig arbeiten diese gleichzeitig auch in der Betreuung mit, haben also verschiedene Rollen inne – eine herausfordernde Aufgabe.

Katharina Nötzli, seit 12 Jahren leiten Sie den NDK Leiten von Teams in sozialen Institutionen. Weiterbildungen im Bereich Teamleitung gibt es unzählige auf dem Markt. Was sind die Besonderheiten dieses Nachdiplomkurses?

Der NDK Leiten von Teams richtet sich an Führungspersonen, die ein kleineres oder grösseres Team in einer sozialen Institution leiten. Sie arbeiten in der Regel nebst ihrer Führungsaufgabe auch direkt im Kerngeschäft mit, betreuen und pflegen also gleich wie ihre Mitarbeitenden Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Damit sind sie immer wieder gefordert, sorgfältig zu reflektieren und auch zu klären, wann und in welcher Situation sie als Führungsperson agieren und intervenieren und wie sie ihre Rolle gestalten.

Die damit verbundenen Herausforderungen thematisieren wir im NDK anhand der eigenen Erfahrungen und der verschiedenen Führungstheorien und Modelle regelmässig. Mit geeigneten Transferübungen schaffen wir immer wieder Möglichkeiten für die Teilnehmenden, die eigene Rolle vertieft zu reflektieren, Handlungsoptionen zu trainieren und damit ihre spezielle Führungsrolle zu stärken und zu erweitern.

Mit welchem Bild / welcher Metapher verbinden Sie diese Führungsfunktion?

Mit dem Slogan «Mut zum (Führungs-) Hut»!

Welchen Herausforderungen begegnen Führungskräfte in sozialen Institutionen? Worin besteht der Unterschied zur Führung in anderen Bereichen?

Wie erwähnt arbeiten die Teilnehmenden im täglichen Kerngeschäft mit und haben oft wenig Rückzugmöglichkeiten, also beispielsweise kein eigenes Büro wie andere Führungskräfte. Ihre Führungsrolle ist damit nicht so offensichtlich. Zudem waren sie vorher meist Mitglied im gleichen Team, was die eigene Rollenfindung noch zusätzlich erschwert.

Hier stellen sich zentrale Fragen: Wie kann ich meine Rolle klar und authentisch gestalten? Wie verhalte ich mich, wenn ich gleichzeitig Kollegin oder Kollege und Führungskraft bin? Wie gehe ich in dieser Situation mit Nähe und Distanz um? Wie kann ich mich durchsetzen? Welcher Führungsstil passt zu mir und zu meiner aktuellen Situation? Diese Fragen beschäftigen die Teilnehmenden sehr, wir schaffen im Kurs viel Raum dafür und bearbeiten sie sorgfältig und differenziert.

Wie werden diese Besonderheiten im NDK LvT berücksichtigt? Mit welchen Methoden wird gearbeitet? Welche Meilensteine gibt es im Lehrgang?

Ein zentrales Element sind passende Transferübungen und regelmässiger Erfahrungsaustausch in Kleingruppen und im Plenum. Damit ergeben sich Gelegenheiten, die eigene Führungssituation zu reflektieren und zu thematisieren. Im kollegialen Austausch erfahren die Teilnehmenden zudem, dass Andere mit den gleichen Herausforderungen kämpfen. Im gemeinsamen Erarbeiten von Lösungsideen und möglichen Vorgehensweisen werden die persönlichen Stärken und Ressourcen gezielt aktiviert und gestärkt. Die Teilnehmenden werden damit mutiger in ihrem Führungshandeln und sind klarer in ihrer Rolle.

Gerade in den Trainingssequenzen mit Rollenspielen zum Thema «Führungsgespräche» und «Verhandlungsführung» erleben die Teilnehmenden sehr direkt und praxisnah, wie sie mit geeignetem Kommunikationsverhalten in herausfordernden Situationen steuern und ihre Ziele erreichen können. Und durch das Beobachten der Anderen sehen sie weitere Alternativen und Möglichkeiten von Führungsverhalten und ihren Auswirkungen. Diese Sequenzen werden in den regelmässigen Kursevaluationen denn auch immer wieder als Highlight bezeichnet.

In der Sequenz «Führen und sich führen lassen im Outdoor» erleben die Teilnehmenden Führung im dreidimensionalen Raum nochmals ganz anders. Sie trainieren die Gestaltung ihrer Führungsrolle und das Wahrnehmen von Verantwortung anhand neuer Aufgaben und in ungewohnter Umgebung und lernen sich damit auch neu kennen.

Zudem schreiben sie eine Abschlussarbeit über ein eigenes Praxisprojekt aus ihrem Führungsalltag, das sie selbst entwickeln, durchführen und evaluieren. Auch dieser Prozess führt zu neuen und wertvollen Erkenntnissen für die eigene Führungsarbeit.

Ich besuche den NDK Leiten von Teams in sozialen Institutionen, weil ich meinem Bauch zwar traue, meinen Kopf aber gerne fordere. Durch den Kurs wird für mich vieles klarer, dadurch bewusst und nutzbar.

Johannes Wipf, Gruppenleitung, Kinderheim Hubelmatt Luzern
NDK Leiten von Teams in sozialen Institutionen 2018/2019
 

Durch die Teilnahme am NDK konnte ich meine Führungskompetenzen ausbauen, mich mit anderen Teilnehmenden vernetzen und austauschen und gleichzeitig das neu Gelernte auf meine praktische Arbeit anwenden. Der Kurs ist fachlich stringent aufgebaut und deckt alle wichtigen Komponenzen der Führungsarbeit ab.

Sofie Oberpriller, Teamleiterin abilia Basel, Wohngruppen iTb
NDK Leiten von Teams in sozialen Institutionen 2018/2019
 

NDK Leiten von Teams in sozialen Institutionen

Detailinformationen und Anmeldung

Kontakt: Marlise Staudenmann, Bildungsbeauftragte Kindererziehung/Sozialpädagogik, Tel. 041 419 01 89 | E-Mail

Dauer: 19 Tage
Luzern

 


Lehrgang Klassenassistenz und schulergänzende Betreuung

Aufbau und Struktur der Weiterbildung

Die Besonderheit im Lehrgang liegt darin, dass individuelle fachliche Schwerpunkte gesetzt werden durch die Auswahl und den Besuch von 2-3 Fachkursen aus dem Weiterbildungsangebot von gesamthaft 5 Tagen. Dazu gibt es eine «Rahmung» im Umfang von weiteren 5 Tagen, in denen sich die Teilnehmenden viel mit Klärung von Rolle und Funktion auseinandersetzen, Praxisbeispiele bearbeiten, Lernerkenntnisse aus den Fachkursen mit den anderen Teilnehmenden austauschen und sich durch Präsentation und Reflexion in Auftrittskompetenz und Entwicklung einer pädagogischen Haltung üben.

Rückmeldungen

Am Abschlusstag des 2018/2019 erstmals durchgeführten Lehrgangs beantworteten die Teilnehmenden schriftlich eine Reihe von Fragen. Die in diesem Beitrag zitierten Aussagen sind wörtlich übernommen. Die Statements sind, wo es die Teilnehmenden gewünscht haben, entsprechend anonymisiert worden. Auch die Fotos dieses Beitrags wurden am Abschlusstag erstellt und geben einen kleinen Einblick in die Geschehnisse.

Fragestellungen und Ziele im Lehrgang

Die Absolvierenden des im April 2019 abgeschlossenen Lehrgangs brachten gemäss der angesprochenen Zielgruppe sehr heterogene Arbeitsfelder und Fragestellungen in den Lehrgang mit. Zum Beispiel Frau R., die in einer heilpädagogischen Schule tätig ist: «Was tun, wenn ich als Puffer zwischen Lehrperson und Schüler stehe?» Oder Frau S., die in einem Internat als Betreuungsperson arbeitet: «Als Quereinsteigerin ist es wichtig, so einen Lehrgang zu absolvieren, um so soziale Kompetenz zu erlangen und anhand der Fachkurse viel zu lernen, um sich zu positionieren». Diese beiden Beispiele geben auch einen Hinweis, welche übergeordneten Ziele mit dem Lehrgang verfolgt werden:

  1. Individuelle fachliche Schwerpunktsetzung durch die eigene Kurskombination.
  2. Vertiefte Reflexion der eigenen Rolle und des beruflichen Handelns in einer bestehenden Gruppe.

Kompetenznachweise

Über diese Ziele hinaus wird der Kompetenzerwerb in verschiedenen Bereichen der Teilnehmenden unterstützt. Der Prozess wird mithilfe von zwei Kompetenznachweisen individuell und formal dokumentiert:

Ein Kompetenznachweis umfasst das Vorstellen der eigenen Praxis oder eine kleine Präsentation zu Erkenntnissen aus einem Fachkurs-Besuch oder eine praktische Umsetzung. Die Teilnehmenden, deren letzter Schulbesuch zum Teil länger zurückliegt, setzten sich unter anderem mit ihrer Auftrittskompetenz auseinander und konnten individuell sehr profitieren, was ihre tägliche Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachpersonen anbelangt. Frau R. beschreibt als persönliches Lehrgangs-Highlight: «Das Gelingen der Präsentation. Keine Angst mehr haben, wenn eine Krisensitzung einberufen wird.»

Der zweite Teil des Kompetenznachweises war eine schriftliche Reflexion des Lernprozesses. Auch dieses wurde teilweise als herausfordernd, schlussendlich aber gewinnbringend erlebt. Ein Statement von Frau Kuhn dazu: «Für mich war es wichtig, dass ich das ‘Gedachte’, ‘Gefühlte’ und ‘Ersonnene’ einmal verschriftlichen musste. Es hat Klarheit geschaffen. Schwierig war es nicht.»

Erworbene Kompetenzen

Die Teilnehmenden

  • kennen die eigene berufliche Rolle und damit verbundene Aufgaben und Grenzen,
  • erarbeiten sich Bereitschaft gegenüber fliessenden Funktionsübergängen und flexiblen Rollenbildern,
  • nehmen das Wirkungsfeld der eigenen Funktion im Dreieck zwischen Kind/Jugendlichem, Fachpersonal, Institution wahr,
  • erlangen Bewusstheit über die Spannungsfelder ihrer Funktion und entwickeln Handlungskonzepte im Umgang damit,
  • kennen innerhalb individueller Schwerpunkte theoretische und konzeptionelle Ansätze zur Betreuung, Begleitung, Entwicklungsförderung, Animation von Kindern und/oder Gruppen.

Die Zufriedenheit der «Pionier»-Absolvierenden des ersten Lehrgangs 2018/2019 ist ausgesprochen hoch, Fragen blieben vorläufig keine offen, alle 8 Personen würden den Lehrgang weiterempfehlen.

Lehrgang Klassenassistenz und schulergänzende Betreuung

Dauer: 10 Tage
Luzern

Detailinformationen und Anmeldung

Kontakt: Melanie Bolz, Bildungsbeauftragte Kindererziehung / Sozialpädagogik, Tel. 041 419 01 89 | E-Mail

 


Was ist Erlebnispädagogik?

Das Erleben erlebnispädagogischer Angebote in der Aus- und Weiterbildung, Erinnerungen an Naturerlebnisse in der Kindheit wie zum Beispiel der Pfadi oder Jubla sowie allgegenwärtige Outdoor-Angebote verleiten uns zu einer schnellen Antwort: «Klar, das kenne ich!» Erlebnispädagogik umfasst und meint jedoch mehr als spielerisches Teambuilding und geführte Naturerlebnisse.

Um eine Antwort auf die Frage «Was ist Erlebnispädagogik?» zu finden, sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Einerseits ist Erlebnispädagogik eine Methode, welche handlungsorientiert Lernprozesse anregt und Menschen (Individuen und Gruppen) in Entwicklungsprozessen unterstützt. Dabei ist die systemische Haltung zentral, die sich durch Ressourcenorientierung, Lösungsfokus, Bescheidenheit, Wertschätzung und Zuversicht auszeichnet. Auch theoretische Grundlagen gehören zur Erlebnispädagogik. Breit bekannt ist zum Beispiel das Komfortzonenmodell, welches aufzeigt, unter welchen Bedingungen Lernen gelingen kann. Schliesslich gibt es unendlich viele Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis, von Gruppenprojekten bis zur Einzelbegleitung, welche meistens im Naturraum stattfinden und manchmal das Übernachten unter freiem Himmel und Kochen mit einfachsten Mitteln miteinbeziehen. Aus all diesen Bestandteilen eine umfassende Definition zu formulieren, ist eine Herausforderung, denn auch hier gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

«Erkläre in einer Minute, was Erlebnispädagogik ist»

So überrascht es nicht, dass folgende Aufgabe im Nachdiplomstudium (NDS) Erlebnispädagogik die Teilnehmenden etwas ins Schwitzen bringt und unterschiedliche Speaks zu hören sind: «Erkläre in einer Minute, was Erlebnispädagogik ist». Die Teilnehmenden setzen eigene Schwerpunkte und heben jeweils einzelne Aspekte hervor. Die persönliche Betonung wird beeinflusst durch die eigene berufliche Perspektive. Das ist genau richtig so, denn im Nachdiplomkurs (NDK) Angewandte Erlebnispädagogik geht es darum, die Haltung, Methoden und Theorien an das Berufsfeld anzupassen und die Erlebnispädagogik mit einem individuellen Handlungskonzept in das professionelle Handeln zu integrieren.

Leitung und Begleitung persönlichkeitsbildender Lernprozesse in der Natur

Die Definition von Andrea Zuffellato, Geschäftsführer von planoalto, unserem Kooperationspartner im NDS Erlebnispädagogik, lautet: «Erlebnispädagogik ist eine methodische Spezialisierung für die Leitung und Begleitung persönlichkeitsbildender Lernprozesse mit handlungsorientierten Methoden. Erlebnispädagogik fördert den Menschen in seiner Sozial- und Selbstkompetenz über primäre, sinnliche Erfahrungen vorwiegend in der Natur, über das Lernen durch Handeln, über die Kraft der Metaphern und über die direkte Reflexion.»

Persönliche Begriffsbestimmung

Um sich mit der Spezialisierung Erlebnispädagogik im eigenen Berufsfeld zu positionieren, ist eine persönliche Begriffsbestimmung wichtig. Bis zum Abschlusskolloquium werden die Teilnehmenden des NDS ihre ganz eigene Definition von Erlebnispädagogik gefunden haben, können diese unter Einbezug der zugrundeliegenden Haltung und Theorien begründen und mit ihrem eigenen Handlungsfeld verknüpfen.

Weitere Informationen zum NDS Erlebnispädagogik erhalten Sie hier.

Bei Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung: Marlise Staudenmann, Bildungsbeauftragte Sozialpädagogik/Kindererziehung, 041 419 01 89 | E-Mail

NDK 1: Natursportliche Erlebnispädagogik im Film

Erlebnispädagogik: Interview mit David Garcia

Wie kann Erlebnispädagogik praktisch und konkret im Berufsalltag eingesetzt werden? Die Institution obvita Wohnen im Jugendalter investiert viel in erlebnispädagogische Methoden.

Interview mit David Garcia, Bereichsleiter obvita Wohnen im Jugendalter

 


Palliative Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung – Lebensbegleitung

… den eigenen Tod den stirbt man nur – mit dem Tod der anderen lebt man weiter…

Mascha Kaleko

Oftmals verbringen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und Unterstützungsbedarf den grössten Teil ihres Lebens in Institutionen wie Wohnheimen oder Arrangements des unterstützen Wohnens. Wie wird dort dem nahenden Lebensende dieser Menschen begegnet? Welche Massnahmen und Möglichkeiten gibt es, Menschen, die ein Leben in institutionellen Settings verbracht haben, aus dem Leben zu verabschieden?

Antworten und Einblicke in die Umsetzung, wie sie in der Stiftung Vivendra stattfinden, gibt uns Angela Grossmann, Institutionsleiterin und Lehrbeauftragte bei CURAVIVA Weiterbildung für den Fachkurs «Palliative Care für erwachsene Menschen mit einer Behinderung».

stephan_barth (pixelio.de)

Frau Grossmann, zunächst einmal: Was ist eigentlich «Palliative Care», und womit beschäftigt man sich da?

Gemäss den «Nationalen Leitlinien Palliative Care (2014)» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) umfasst Palliative Care «... die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronisch fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend miteinbezogen, ihr Schwerpunkt liegt aber in der Zeit, in der die Kuration der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und kein primäres Ziel mehr darstellt. Patientinnen und Patienten wird eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet und die nahestehenden Bezugspersonen werden angemessen unterstützt. Die Palliative Care beugt Leiden und Komplikationen vor. Sie schliesst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung mit ein.»

Als die sechs Kernleistungen der allgemeinen Palliative Care werden vom BAG folgende benannt:

  1. Symptome erfassen, behandeln und lindern
  2. Die letzte Lebensphase gestalten
  3. Bei der Entscheidungsfindung unterstützen und vorausplanen
  4. Netzwerk bilden und koordinieren
  5. Die Angehörigen unterstützen
  6. Während der Trauerphase begleiten

Gibt es ein bestimmtes Vorgehen, wenn ein liebgewonnener Wohn- und Lebenskollege gestorben ist?

Die Gestaltung von Ritualen hat in der Stiftung Vivendra einen hohen Stellenwert – zum einen wenn es um die Gestaltung eines Abschiedsrituals geht, aber auch, wenn es an das liebevolle Erinnern geht. Rituale stellen eine wichtige Ressource in der palliativen Begleitung für Menschen mit geistiger Behinderung dar. Es sind Handlungen mit einem hohen Symbolgehalt, welche sich in allen Kulturen zu jeder Zeit der Menschheitsgeschichte finden. Rituale sind wichtig für alle Menschen.

Gibt es also Unterschiede bei den Ritualen in der Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung?

Rituale und deren Gestaltung haben in der Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung einen festen Platz (zum Beispiel Gestaltung von Ritualen in Verbindung mit Jahreszeiten oder Feiertagen) und einen hohen Stellenwert. Besonders bei Menschen mit einem hohen Unterstützungsbedarf und/oder nonverbalen KlientInnen können Rituale Struktur, Ordnung, Sicherheit, Vertrauen, Halt und Kraft vermitteln, das Verständnis von Kontexten erhöhen und somit relevant zu Selbstwirksamkeit und verschiedenen Formen der Selbstbestimmung beitragen.

Wie gestaltet ihr in der Stiftung Vivendra Rituale im Kontext von Sterben, Tod und Trauer?

Das Ritual findet in der Gemeinschaft statt, die Teilnahme ist freiwillig. Menschen mit geistiger Behinderung wohnen oft viele Jahre (Jahrzehnte) in einem Wohnheim - sie verfügen über ein grosses internes Netzwerk (im Gegensatz zu dem oft sehr kleinen externen Netzwerk). Es wird allen, die es wollen, ermöglicht, an diesem Ritual teilzunehmen.

Das (Abschieds) Ritual hat einen klar umrissenen Anfang und ein Ende und ist im Ablauf für alle Anwesenden durchschaubar und zu verstehen. Die Zeremonie soll ein besonderes Geschehen sein und  sich damit von allen Routinehandlungen des Alltags unterscheiden. Sie möchte Gemeinschaften verbinden, von Sprachlosigkeit erlösen und es allen erleichtern, sich dem Neuen zuzuwenden.

Nach meiner Erfahrung ist es für KlientInnen, Mitarbeitende, Angehörige, Freunde, KollegInnen und alle, die daran teilnehmen möchten, eine wichtige Erfahrung, eine Feier gemeinsam vorzubereiten, durchzuführen, zu erleben und mit diesem gemeinsamen Erlebnis wieder in eine gemeinsame Zukunft zu schauen. Es spendet Trost, löst Emotionen und vermittelt, dass die Gemeinschaft uns trägt und wir in den schweren Momenten des Lebens nicht alleine sind.

Durch ein Ritual kann ein Abschied bewusst beendet werden; damit entsteht Raum für neue Perspektiven und Hoffnung.

Wie sieht beispielsweise so ein Abschiedsritual aus?

Zur Verabschiedung findet immer eine gemeinsame Gedenkfeier statt. Alle sind zu dieser Andacht herzlich eingeladen. Man kann einen schönen Gegenstand, ein Gedicht, Lied, ein Bild, eine Zeichnung oder anderes als letzten Gruss für den Gedenktisch mitnehmen. Die Gemeinschaft hilft uns, über den Verlust hinwegzukommen, den Tod als Teil des Lebens anzuerkennen und zu integrieren. Wir zünden gemeinsam Kerzen an und geben gute Wünsche auf die letzte Reise mit. Wir erinnern uns an die gemeinsame Zeit.

Bei Fragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung: Melanie Bolz, Bildungsbeauftragte Kindererziehung/Sozialpädagogik, 041 419 01 89 | E-Mail

 


Sich immer wieder auf Neues einlassen: Das Branchenzertifikat von kibesuisse «Pädagogische Leitung in Kindertagesstätten»

Kitaleitungen arbeiten in einem Berufsfeld, welches sich stetig wandelt. Sei dies durch die gesellschaftlichen Veränderungen, durch die Ansprüche aus der Arbeitswelt an die Eltern oder auch durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Neugierde und Freude, sich immer wieder auf neue Themen und Sichtweisen einzuladen, hat Nadine Mosca-Meier und Helene Volken animiert, sich für das «Branchenzertifikat von kibesuisse - Pädagogische Leitung in Kindertagesstätten» anzumelden. Sie sind Kitaleiterinnen der Kita «pop e poppa Leuehöhli» in Winterthur.

Was hat uns die Weiterbildung gebracht?

Im Laufe der 20 Kurstage konnten wir uns mit wichtigen Themen auseinandersetzen, wie z.B. die Weiterentwicklung von einem Konzept zu einer Konzeption, die Überprüfung unserer Qualitätsstandards in der pädagogischen Arbeit oder auch deren Weiterentwicklung im Team. Zudem hinterfragten wir unsere Arbeitsweisen in den Bereichen der Netzwerkarbeit und anderem mehr.

Rückblickend können wir sagen, dass uns die Kurstage geholfen haben, genau hinzuschauen bei den verschiedensten Themenfeldern. Wir wurden herausgefordert, unsere Alltagsarbeit zu analysieren, blinde Flecken aufzudecken, neue Themen anzugehen und unsere Arbeit als einen stetigen Prozess der Qualitätsentwicklung anzuerkennen. Dabei wurden wir von verschiedenen Dozierenden begleitet, welche in ihrem jeweiligen Fachgebiet ausgewiesene ExpertInnen waren und einen grossen Praxisbezug hatten. Mit viel Tiefgang, aber auch mit der nötigen Portion Humor gelang es ihnen, uns und die anderen Teilnehmenden zur Erarbeitung der einzelnen Themen im Bezug zu unserem Arbeitsort zu motivieren. Zudem erhielten wir wichtige Inputs für den Arbeitsalltag. Wir können die Weiterbildung zum Branchenzertifikat Pädagogische Leitung in Kindertagesstätten allen langjährigen und erfahrenen Kitaleitungen nur empfehlen.

Prozesse überprüfen und optimieren

Durch die Überprüfung unseres Führungsalltags ergaben sich während der Weiterbildung, aber auch bis heute noch Baustellen, welche angegangen werden mussten und immer noch müssen. Es gelang uns, unsere Transitionsprozesse zu optimieren und vor allem den Übergang der Kinder in den Kindergarten, nebst der Eingewöhnungszeit, als ebenso wichtigen Prozess anzuschauen, Teilschritte zu optimieren und die Eltern in diese Prozessarbeit aktiv einzubinden. Auch die Vernetzung nach Aussen fristete lange ein Dasein der Nichtbeachtung, da diese Arbeit Zeitressourcen verlangt, welche im Arbeitsalltag oft nicht erübrigt werden können. Durch die Bewusstseinssteigerung über deren Wichtigkeit planen wir uns nun auch Zeit für die Netzwerkarbeit ein und bauen das Netz von Zusammenarbeitspartner weiter aus, resp. festigen bereits vorhandene Kontakte.

Der Schwerpunkt der stetigen Überprüfung unserer pädagogischen Qualität war uns in unserer Kita nicht fremd. Animiert durch die erneute Thematisierung in der Weiterbildung gelang es uns, zusammen mit dem ausgelernten Fachpersonal, anhand der Unterlagen von Qualikita und unter Einbezug des Orientierungsrahmens, alle Arbeitsbereiche zu analysieren. Es wurden verbindliche Weiterentwicklungen im Team abgemacht und umgesetzt. Jetzt, ein Jahr nach dieser Arbeit, werden wir diesen Prozess wiederholen, uns neue Ziele ins Auge fassen und die bereits gemachten Veränderungen auf deren Wirksamkeit überprüfen.

Ausblick

Wenn wir auf dieses Jahr der Auseinandersetzung mit den angebotenen Themen des Branchenzertifikats zurückschauen, so könnten wir uns durchaus vorstellen, dass so eine ressourcen- und themenorientierte Weiterbildung für unser ausgelerntes Fachpersonal sinnvoll wäre. Wir stellen immer wieder fest, dass viele Menschen in unserem Berufsfeld sich schwer tun mit Veränderungsprozessen. Punktuelle fachliche Inputs von aussen würden eventuell das Verständnis eher wecken für die Wichtigkeit der stetigen Weiterentwicklung in unserem Arbeitsalltag zum Wohle des Kindes.

Bisher besteht ja in unserer Branche vor allem die Möglichkeit, sich zur/zum Ausbildungsverantwortlichen oder zur Kitaleitung weiterzubilden. Ausserdem besteht seit ein paar Jahren die Möglichkeit, die HF Kindererziehung zu absolvieren. Wichtig wären jedoch auch qualitativ hochstehende Angebote zur Vertiefung des bereits erlernten Wissens aus der Grundbildung, was nicht als Wiederholung zu verstehen wäre, sondern als Weiterentwicklung mit Fachschwerpunkten. Ob solche Angebote für einzelne Personen oder als interne Teamweiterbildungen angeboten würden, ist unseres Erachtens sekundär. Viel wichtiger erscheint es uns, dass in der Grundbildung wie auch in den Weiterbildungen mit aktuellem Material gearbeitet würde, wie z.B dem Orientierungsrahmen des Netzwerkes Kinderbetreuung, welches sich als Grundlagendokument geradezu anbietet und doch so vielen Menschen in unserer Branche noch nicht bekannt ist.

Zum Thema Weiterentwicklung eines Betriebes braucht es aber noch weitere Komponenten, welche wir erwähnen möchten. Ob ein Betrieb und dementsprechend auch das Personal sich weiterentwickeln kann, hängt nicht nur von der Bereitschaft der einzelnen Personen ab. Oftmals fehlen finanzielle Ressourcen oder es steht eine Trägerschaft hinter dem Betrieb, der diese Weiterentwicklung als keine Notwendigkeit ansieht. Wir in unserer Kita sind der glücklichen Lage, dass unsere Trägerschaft die qualitative Weiterentwicklung ihrer Betriebe als eine grundlegende Notwendigkeit ansehen diese unterstützt, fördert und sogar fordert.

Kitaleitung - ein Traumberuf?

Noch heute - nach so vielen Jahren im Berufsfeld der familienergänzenden Betreuung von Kindern im Vorschulalter - ist es für uns nicht vorstellbar, in eine andere Berufssparte einzusteigen oder zu wechseln. Auch nicht in eine uns «verwandte» Berufsgattung wie zum Beispiel die der Kindergartenlehrperson oder Hortleiterin. Die Begleitung von Kindern in ihren ersten Lebensjahren und ihren Eltern, aber auch die Führung von Personen, welche die Kinder im Arbeitsalltag begleiten, bieten so viele positive Herausforderungen, sind abwechslungsreich und interessant. Die Pädagogik und die Forschung rund um die frühkindliche Entwicklung entwickelt sich stetig weiter und bietet neue Denkansätze durch Forschungsergebnisse, welche uns beim Einstieg ins Berufsleben noch nicht bekannt waren.

Zudem geniessen wir die Vorteile einer Co-Leitung und können so eine ressourcenorientierte Aufgabenteilung im Alltag leben. Wir haben die Möglichkeit, uns zu spiegeln, unsere Arbeitsschritte und Handlungen gegenseitig zu hinterfragen und erleben so im Alltag, in dieser ansonsten doch eher einsamen Position, eine respektvolle Auseinandersetzung mit unserer Arbeit und haben jederzeit eine ergänzende Stütze in der anderen Person.

Interessieren Sie sich für unsere Angebote im Bereich Kindererziehung? Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme: Melanie Bolz, Bildungsbeauftragte Kindererziehung/Sozialpädagogik, 041 419 01 89 | E-Mail.

 


Kunstagogik – Am Anfang steht das Gestalten ohne Anspruch

Es klingt nach einer Selbstverständlichkeit: Wir orientieren uns an den Ressourcen der uns anvertrauten Menschen, arbeiten mit dem, was ist, und ermöglichen allen die Teilhabe nach individuellen Möglichkeiten.

Inklusion, Partizipation und Selbstbestimmung werden vielerorts als unbestrittene Haltung angenommen und vorausgesetzt. Doch was bedeutet es in der Arbeit mit Menschen, welche auf unterschiedliche Art in ihrem Handeln und/oder Denken eingeschränkt sind, wenn wir in aller Konsequenz davon ausgehen, dass jede Person einen wertvollen Beitrag zum Gelingen leisten kann? Fordern uns nicht gerade die Worte «wertvoll» und «leisten» heraus, das Ergebnis stärker zu gewichten als den Prozess?

«Das kann ich nicht»

Die Angst, nicht zu genügen, zeigt sich in vielen Variationen: «Das kann ich nicht», «Ich schaue lieber erst zu», «Eigentlich mag ich das jetzt nicht». Auch in der Mimik und in Gesten lässt sich die Furcht oft ablesen. Ganz sich selber sein, sich zeigen mit seinem Können und seinen Grenzen, alle Möglichkeiten zur Gestaltung nutzen, sich ins Tun vertiefen – was für Kinder ganz natürlich ist, wird für Jugendliche und Erwachsene zur Herausforderung. Stark sind Werte und Normen verankert, die uns zeigen was «man tut und was nicht», was «richtig und falsch» ist, was «gut oder schlecht» ist und so weiter.

Gestalten ohne Anspruch - ein Wagnis, das sich lohnt

Kunstagogik orientiert sich an den vorhandenen Ressourcen. Am Anfang steht das Gestalten ohne Anspruch. Das klingt einfach, ist jedoch zu Beginn eine Herausforderung. Wer sich ohne Ziel ins Tun vertieft, zeigt sich mit allen Talenten und Unvollständigkeiten – ein Wagnis, das sich lohnt und eine sehr achtsame Begleitung erfordert. Kunstagogen und Kunstagoginnen nehmen wahr, was ist, und wählen die passende Gestaltungsform für Einzelne oder die Gruppe. Sie bestärken Menschen darin, eigene Ausdrucksformen zu entwickeln und sorgen dafür, dass jeder Beitrag gewürdigt wird. Sie ermöglichen eine spielerisch persönliche Entwicklung und Förderung.

Lehrgang Kunstagogik - Begeisterung, Lebensfreude und Zufriedenheit wecken und steigern

Im Weiterbildungs-Lehrgang Kunstagogik wird mittels vielseitigen Gestaltungsformen die Freude am zweckfreien Gestalten geweckt. Die individuellen Ressourcen werden ins Zentrum gestellt und Einschränkungen als Chance wahrgenommen. Arbeiten mit dem was ist und gelingt, erfordert Übung im Experimentieren mit und ohne Material. Die intermediale Methode lehrt, kleine Anfänge weiterzuentwickeln, ergänzende Techniken und Medien einzubeziehen und schlussendlich ein Werk entstehen zu lassen, mit dem sich die Erschaffenden identifizieren können. Wenn dann dieses Werk noch Beachtung findet, indem es in einer entsprechenden Form dargeboten, ausgestellt, vorgestellt wird, dann erleben die Begleiteten wie auch die begleitenden Kunstagogen und Kunstagoginnen eine Wertschätzung, die deutliche Veränderungen spürbar macht: Begeisterung, Lebensfreude und Zufriedenheit steigen und regen die Persönlichkeitsentwicklung an - all das ist mit kunstagogischer Arbeit möglich.

Kontakt: Marlise Staudenmann, Bildungsbeauftragte Sozialpädagogik/Kindererziehung, 041 419 01 89 | E-Mail

Videos Lehrgang Kunstagogik

Interview mit Eva Bischofberger

Kreieren entsteht in einem wertfreien Raum. Das ist unsere Grundhaltung

zum Interview mit Eva Bischofberger, Leiterin des Lehrgangs Kunstagogik

 


Natur, Bewegung, Initiative, Selbstverantwortung 

CURAVIVA hält die Erlebnispädagogik für eine wirksame Methode in der Begleitung von Jugendlichen. In vielen Institutionen wird erlebnispädagogisch gearbeitet, so auch in der Stiftung YOU COUNT. Wir haben mit dem Geschäftsführer Thomas Schüpbach und Projektleiterin Sandra Münger über den Stellenwert der natursportlichen und musisch-kreativen Erlebnispädagogik gesprochen und ihre Aussagen hier zusammengefasst.

Kopf, Hand und Herz

In der Stiftung YOU COUNT geht man davon aus, dass «ganzheitliche Erziehung immer nur unter Einbezug von Kopf, Hand und Herz möglich ist.» (Pestalozzi). Oder wie Kurt Hahn es umformuliert hat: «Hand, Kopf und Herz». Es gibt viele Umstände, welche die natursportartliche Erlebnispädagogik und auch musisch-kreative Erlebnisse in der Pädagogik sehr gehaltvoll machen. Hier die wichtigsten Grundsätze:

  • Unmittelbarkeit: Das Verhalten des Menschen in der Natur wirkt sich schnell auf sein Wohlbefinden aus: Wenn unsere Jugendlichen ihre Snowboardschuhe trotz Aufforderung des Pädagogen nicht über Nacht an der Wärme versorgen, sind sie am nächsten Morgen gefroren. Oder wenn der Jugendliche sich weigert, Holz zu sammeln, gibt es am Abend kein wärmendes Feuer.
  • Kontextwechsel: Es kommen in der Natur andere Ressourcen zum Tragen als zum Beispiel in der klassischen Schulsituation: Der Jugendliche, der in der Schule durch sein temperamentvolles Verhalten die anderen stört, hat immer noch Energie zum Holz hacken, wenn alle anderen schon müde sind.
  • Beziehungsaufbau: In der Natur sind die Menschen schnell aufeinander angewiesen, dies wirkt sich auf ihre Beziehung untereinander aus: Die Jugendliche und ihre Betreuerin müssen einander beim Klettern und Abseilen vertrauen. Der Jugendliche und der Betreuer sind auf dem Trek ans Meer aufeinander angewiesen, werden im Verlaufe der Zeit unweigerlich fassbar und echt.
  • Flow: Der Teilnehmer kommt in eine Situation, in der er im Hier und Jetzt lebt, alle nicht notwendigen Gedanken in den Hintergrund treten: Die Jugendliche geht im Tanzen voll und ganz auf, ist sich der Sache sicher und fühlt sich der Situation total gewachsen.

Der Mensch von heute ist nicht wie früher überlebensorientiert sondern erlebnisorientiert. Deshalb nimmt in unserer Gesellschaft die Erlebnisdichte stetig zu, dies allerdings auf Kosten der Erlebnistiefe. Die Erlebnispädagogik bietet den Jugendlichen das Erlebnis, versucht aber die Tiefe des Erlebten zu nutzen. Deshalb sind im Verständnis der Stiftung YOU COUNT in der Erlebnispädagogik die Reflexion und der Transfer in den Alltag von zentraler Bedeutung. Die ausgewählte Aktivität ist sekundär und somit den Bedürfnissen unserer Jugendlichen anpassbar. So streben PädagogInnen im Alltag aufgrund des Erlebten gemeinsam mit den Jugendlichen eine nachhaltige Verhaltensveränderung an.

Bei Fragen bin ich gerne für Sie da: Marlise Staudenmann, 041 419 01 89 | E-Mail